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"Das Geschenk" von Sebastian Fitzek

„Unwissenheit ist manchmal das größte Geschenk auf Erden.“

(Ihr könnt meinen Eindruck vom neuen Fitzek beruhigt lesen! Über die Story an sich werde ich hier sehr wenig erzählen, versprochen! Dazu unten mehr.)

Von null auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Das schaffen nicht viele Autoren, aber Sebastian Fitzek ist es wieder einmal gelungen. Und darum geht's in „Das Geschenk“:

 

Milan ist Analphabet, Gelegenheitskrimineller und wird zufällig Zeuge einer Entführung. Ein Mädchen sitzt in einem vorbeifahrenden Auto, offenbar verstört, und hält einen Zettel ans Autofenster, darauf ein verzweifelter Hilferuf. So die Ausgangslage in Fitzeks neuem Thriller. 

 

Was steht auf dem Zettel und wieso versteht Milan den Text, obwohl er doch nicht lesen kann? Das ist eine der vielen logischen Hürden, die der Autor stemmen muss. Diese Hürden geraten bei dem Versuch der Geschichte, Fahrt aufzunehmen, teilweise ganz schön ins Straucheln. Zumindest anfangs hatte ich deshalb meine Schwierigkeiten mit dem Buch. 

 

Die ersten 60 Seiten fand ich insgesamt ein wenig mühselig. Kein Kapitel schon in diesem frühen Stadium des Buches endet ohne Cliffhanger. Das wirkt auf mich ein wenig angestrengt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor seiner Story nicht vertraut und sich dadurch schon in den ersten Kapiteln in gewagten Hin- und Her-Täuschungs-Manövern gefährlich nah in Abseitsnähe manövriert. Doch dann wurde es plötzlich besser. Vielleicht hatte ich die unübersichtliche Ausgangslage auch einfach akzeptiert. Denn um vielschichtige Inhalte, klar gezeichnete Charaktere oder funkelnde Dialoge geht es bei Fitzek ja schließlich auch nicht. Ein Fitzek-Thriller verspricht in erster Linie gute Unterhaltung. Ein rasanter Pageturner soll er sein, und zwischendurch ein bisschen Grusel und Ekel ist auch nicht verkehrt. Das alles liefert er zuverlässig wie immer und tatsächlich finde ich das Buch trotz unseres etwas holprigen Starts richtig prima. 

 

Und zwar richtig richtig! Denn das Buch ist schneller, komplexer und ein wenig gerissener als seine früheren Bücher. Wie zuletzt in „Der Insasse“ wird hier die psychische Integrität der Hauptperson infrage gestellt. Dieses Unwissen der Perspektivfigur über die eigene Vergangenheit und Handlungsmotivation macht den eigentlichen Reiz des Buchs aus und ist der entscheidende Spannungsmotor, der die Leser*innen durch die Geschichte treibt. So folgen wir Milan auf seiner Achterbahnfahrt durch das streckenweise schön eklige Abenteuer und suchen wie er nach Hinweisen, die uns zur Wahrheit führen. Nichts ist wie es scheint, und zwar konsequent bis zum Schluss. Gute Ideen hat er ja, der Thrillerkönig, und auch handwerklich ist „Das Geschenk“ top. 

 

Ist dies also sein bestes Buch? Auf jeden Fall wird es seinen Platz im Herzen der Fans zu Recht finden. 
 

Spannungsfaktor: hoch. Vor allem durch den geschickt eingebauten Mitratefaktor.

Nun noch schnell zurück zur Frage, warum ich über die Story fast kein Wort verliere? Vor allem deshalb, weil ich selbst es hasse, wenn Buchinhalte gespoilert werden. Darin sind einige Journalisten im Feuilleton ganz groß und ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich habe nach so einer hochoffiziellen Rezension meistens gar keine Lust mehr, das Buch zu lesen. Viele Feuilletonisten bauen in ihre Literaturkritik eine fast vollständige Inhaltswiedergabe ein. Oft wird dann nicht nur die Handlung zu einem großen Teil nacherzählt, sondern sogar der Schluss verraten. Verstehe ich nicht! Ich spreche sicherlich schon des Berufs wegen auf eine völlig andere Art über Bücher. Ich will ja neugierig machen und, ja, zum Kaufen anregen. Nicht das Lesen abnehmen. 

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